Die Jenische Sprache
Das Jenische in Burgberg ist verstummt, es lebt nur noch in der Erinnerung der älteren Bewohner.
"Jenisch diebra" ist ein sprachliches Kuriosum das in der heutigen Zeit keinen Sinn mehr macht.
Die Hausierer sind ausgestorben. Die letzten die diese Sprache noch erhalten haben sind die Gipser,
von denen es heute noch eine Handvoll gibt.
Aber spricht man sie darauf an dieses Sprachliche Kulturgut weiter zu erhalten oder an andere
Interessierte weiter zu geben, erhält man zur Antwort:
" Was wit mit deam Gschwätz ?"
Eigentlich schade, das die bildkräftige Sprache nicht mehr lebt.
Das Jenische (language code YEC; auch: Krämersprache) ist eine im deutschsprachigen Raum und
Frankreich entstandene Geheim- oder Sondersprache, die für jenische Menschen auch Muttersprache
ist. Es enthält Elemente des Deutschen, Jiddischen, Romani und Rotwelsch.
Die Sprecher, die Jenischen, sind, anders als oft vermutet, keine Sinti oder Roma. Traditionell wurde
das Jenische von Hausierern, Kesselflickern, Scherenschleifern (Bild unten), Bürstenmachern,
Schrotthändlern, Schaustellern und Artisten gesprochen.
(aus Lexikon-Online)
Robert Koch schreibt in seinem Buch, Schloßberg und sein vorgezeichnetes Schicksal:
(gilt auch für Burgberg)
Rotwelsch
Die geheimnisvolle Sprache der Gauner und Berufsmäßigen Bettler.
Die rotwelsche Sprache besteht schon seit dem Mittelalter und wurde auf allen Landstraßen im
gesamten deutschen Sprachraum gesprochen. Aber nicht nur dort, es gab noch Tochtersprachen in
anderen Ländern, die auf der jeweiligen Landessprache aufgebaut waren. ...
Die damalige Zeit war nicht dazu angetan, weite Reisen ohne besondere Not zu machen.
Die Städter waren froh, wenn sie die unsichereren Landstraßen meiden und im sicheren Schutz der
befestigten Stadt bleiben konnten. Der Bauer, der fest mit seiner Scholle verbunden war, sah ebenfalls
keinen Grund, diese sichere Lebensgrundlage zu verlassen.
Dauernd unterwegs waren die berufsmäßigen Bettler und Gauner, sowie größere und kleinere Räuber-
banden, auch Schausteller und Gaukler konnte man überall antreffen. Noch eine andere nicht
unerhebliche Gruppe bewegte sich auf den Straßen, die Kaufleute. Es waren fast ausschließlich Juden,
die Handel trieben, denn fast jedes andere Gewerbe war ihnen in Deutschland verboten.
Sie beteiligten sich aber nur selten an Gaunereien und Überfällen, doch sie waren stets bereit,
die "heiße" Ware zu verkaufen.
Die Sprache, die all die Umherziehenden benutzten, war rotwelsch. Sie war nicht wie jede andere
Sprache über Jahrhunderte gewachsen, deshalb liegt auch die Herkunft vieler Wörter im Dunkeln.
Fest steht nur, dass die Hauptbestandteile dieser seltsamen Sprache stets aus deutschen Wörtern
gebildet wurde, sie basierte somit auf dem Boden einer Volkssprache. Die Wortbildung war an keine
Regel gebunden, die Orthographie war willkürlich, ebenso wenig gab es innerhalb der einzelnen
Gruppen eine einheitliche Schreibweise. Es kam auch sehr selten vor, dass Briefe geschrieben wurden,
sondern immer nur kurz Kassiber in den Strafanstalten. Das Hauptziel war stets, die Sprache für den
"ehrlichen" Bürger unverständlich zu machen, deshalb wurden auch nicht die normalen Wörter wie
z.B. Igel, Messer, Blut und Bäcker verwendet; sondern neue abgewandelte, aber wiederum deutsche
Wörter, nämlich Stupfel, Härtling, Rötling und Teigaff.
Rotwelsch ist aber auch mit vielen jüdischen Wörtern durchsetzt, der Grund ist, wie schon angeführt,
die oft großen Gruppen jüdischer Händler, die sich zusammen mit den Bettlern und gaunern auf den
Landstraßen bewegten. Der Kontakt ergab sich beim Gespräch und in den nächtlichen Herbergen.
Doch noch eine andere Gruppe hat Wörter für das Rotwelsch geliefert, die Zigeuner. Sie tauchten
erstmals um 1417 auf und bildeten auch sofort eine Landplage. Ihre Sprache war allerdings nicht
Deutsch und enthielt auch keinerlei deutsche Elemente. In der rotwelschen Sprache ist der Anteil
nicht sehr groß, denn die Zigeuner waren zu keiner Zeit bereit, sich den Umherziehenden anzu-
schließen, sie blieben stets unter sich und bildeten eine eigene Volksgruppe. Erst als man sie stellen-
weise mit Erfolg sesshaft gemacht hatte, wie etwa im 18. Jahrhundert im Schwäbischen, weist auch
sofort das Rotwelsche eine nicht unerhebliche Anreicherung auf. Teilweise findet man ebenfalls einen
kleinen Einschlag der französischen Sprache, dies mag daher rühren, dass auch umherziehende
Scholaren darauf abgefärbt haben.
Beim Erfinden und Umfunktionier der deutschen Wörter für das Rotwelsche, war der Fantasie keine
Grenze gesetzt. Oft waren sie voller Humor oder von beißendem Spott, waren abwertend und frivol,
basierten aber auch oft genug auf sehr genauen Beobachtungen der Natur, mit der ja alle Umher-
ziehenden eng verbunden waren. Das Wort Rotwelsch geht vermutlich darauf zurück, dass sich die
Gauner einen sichtbaren Teil ihres Körpers mit blutähnlicher Farbe beschmierten, um so hässliche
und schwärende Verletzungen vorzutäuschen. Deshalb war "rot" schon sehr früh die Bezeichnung für
berufsmäßige Bettler und Gauner. (Anm. Webmaster: rot= falsch, Bettler und welsch= fremd)
Das Jenische der Händler und Hausierer
Um 1714 wurde in Oberdeutschland, zu dem auch Württemberg gehörte,
für das Rotwelsche das Wort Jenisch eingeführt. Dies war keine ganz neue
Sprache, sondern nur ein Oberbegriff. Die Zeit der großen Räuberbanden, die ja
einen richtigen Raubadel mit Siegel und Auszeichnungen bebildet hatten, war
endgültig vorbei. Eine verschärfte Überwachung der Landstraße und Bezirke,
ebenso die Anziehungskraft der Städte, ließen die Banden von den Landstraßen
verschwinden.
Diese Zeit fiel etwa mit der Gründung von Schloßberg zusammen. Man darf aber diese zugewanderten
Menschen nicht mit den ehemaligen Banden in Verbindung bringen, es waren einfache Menschen,
die eine neue Heimat suchten und nun froh waren, einen festen Platz gefunden zu haben.
Ihre Sprache haben sie mitgebracht und auch beibehalten, sie haben sie stets eine wissende und kluge
Sprache genannt, die eben nur von den Eingeweihten verstanden und stets gegen alle Außenstehenden
abgeschirmt wurde. Jenisch zu sprechen gab ihnen außerdem das Bewusstsein, einer verschworenen
Gemeinschaft an zugehören und in ihr geborgen zu sein.
Das Wort Jenisch geht vermutlich auf die zigeunerische Wurzel dšan zurück, das Wissen und Können
bedeutet. Es bildeten sich nun verschiedene neue Begriffe heraus und zwar die Krämer - und
Händlersprache. Die Sprache hat natürlich im Laufe der Zeit etliche Wandlungen erfahren,
wie jede andere Sprache auch. Sie wurde auf die Belange der einzelnen Gruppe abgestimmt und auch
dialektisch verfärbt.
Christian Efing ist deutschen Geheimsprachen auf der Spur.
Regional-News >>> Rhein-Main
Gauner und Kesselflicker als liebstes Forschungsobjekt
Darmstädter Dozent sucht alte Geheimsprachen / Hilfe wird auch verweigert
Von Daria Polasik (dpa)
Darmstadt - Wenn Christian Efing Wörter wie "Tschai" oder "Lobe" hört, fangen seine Augen an zu
leuchten. Was sich für viele wie unverständliches Gebrabbel anhört, klingt dem Darmstädter Dozenten
wie Musik in den Ohren. Schon während seines Studiums hat der 30-Jährige angefangen, nach alten
Geheinsprachen von Gaunern, Kesselflickern und Vagabunden zu forschen. Noch immer sucht er in
abgelegenen Dörfern nach Spuren der verdunkelten deutschen Sprache.
"Die Geheimsprachen, die sich allmählich in Deutschland entwickelten, stammen alle aus dem Rot-
welsch, einer Sprache aus dem 13. Jahrhundert", erzählt Efing. Vagabunden und Bettler hätten
irgendwann angefangen, neue Ausdrücke zu erfinden, um sich von der unbeliebten besseren
Gesellschaft abzusondern. "Die Gauner nutzten ihre Geheimsprache untereinander, um beispielsweise
einen Raub zu planen, ohne, dass es jemand mitbekommt." Im Laufe der Zeit haben sich in deutsch-
sprachigen Gebieten etwa 50 Dialekte des Rotwelsch entwickelt.
"Die Geheimsprache wurde auf die jeweiligen deutschen Dialekte und die Grammatik aufgebaut",
erklärt der Sprachwissenschaftler. "Häufige Wortbildungsendungen im Rotwelsch waren das -ing und
das -hardt." Die Sprecher ersetzen die eigentliche Wortbezeichnung mit einer für sie typischen Eigen-
schaft und hängten die Endungen daran. "So entstanden Wörter wie Weißling für Milch und Glatthardt
für Tisch", sagt Efing.der Dozent an der Technischen Universität Darmstadt ist.
Aus dem Rotwelsch entwickelten sich im Laufe der Zeit verschiedene weitere Dialekte. Im süd-
deutschen Raum wurden sie stark vom Romanes, der Sprache der Sinti und Roma, geprägt.
Die Sprecher benutzten Wörter wie Tschai für Mädchen und Lobe für Geld. In anderen Gebieten
wiederum war die geheime Sprache des fahrenden Volkes vom Deutsch-Jüdischen geprägt.
"Leute wie Kesselflicker und Messerschleifer, die in der Hierarchie ganz unten waren und sich nicht
ansiedeln ließen, entwickelten den Jenischen Dialekt, der am nächsten mit dem Rotwelsch verwandt
war."
Die Jenischen, die man auch weiße Zigeuner nannte, seien nie sesshaft geworden, einige seien bis
heute unterwegs.
"Viele Geheimsprachler wurden im Zweiten Weltkrieg verfolgt und in Konzentrationslager gebracht",
berichtet Efing. Wegen der Parallelen in den Sprachen seien sie oft für Juden gehalten worden.
Für seine Doktorarbeit wollte Efing die Geheimsprache der ehemaligen Bürstenhändler aus
Lützenhardt im Schwarzwald erforschen und ein Wörterbuch erstellen. Sein Vorhaben wurde jedoch
komplizierter als er gedacht hatte. "Viele Dorfbewohner wollten nicht, dass die Sprache nach außen
dringt und verweigerten mir ihre Hilfe."
Doch Efings Suche ist noch lange nicht abgeschlossen: "Es gibt Vermutungen, dass es noch etwa
200 Orte gibt, an denen die Reste der Rotwelsch-Dialekte zu finden sind."
Einige Wörter seien in die Umgangssprache übergegangen.
"Und in der Frankfurter Sprayer-Szene hat man auch schon Wörter der Geheimsprachen gefunden."
Jenische
Wenn fremde Worte Schutz bieten
Freitag, 02. Februar 2001/Berliner Morgenpost
Mit dem Aussterben bestimmter Berufe droht
auch das Jenische, die Geheimsprache der
Landstraße, verloren zu gehen
Von Uwe Sauerwein
2001 hat die EU zum «Europäischen Jahr der Sprachen»
erkoren. Die Berliner Morgenpost betrachtet deshalb in
loser Folge den Wandel des Deutschen, den Einfluss des
Englischen, die Pläne der EU zum Schutz kleiner Sprachen
bis zum Sterben der Dialekte.
H.C. Artmann, der unlängst verstorbene Sprachabenteurer,
nannte sie «Weiße Zigeuner». Die Menschen, die der
Wiener Dichter damit meinte, bezeichnen sich selbst als
Jenische. Die Rede ist von jenen Nichtsesshaften, die einst
auf den Landstraßen Europas unterwegs waren und
aufgrund ihrer Lebensweise irrtümlich mit den Sinti und
Roma in Verbindung gebracht wurden. Gleichwohl teilten
die Jenischen mit den so genannten Zigeunern das
Schicksal des Außenseiters in der Fremde, zumal sie oft
auch die gleichen, gesellschaftlich nicht hoch
angesehenen Berufe ausübten.
Die Hausierer, Kesselflicker, Scherenschleifer,
Bürstenmacher, Schrotthändler, Schausteller und Artisten
verständigten sich untereinander in einer Geheimsprache.
Jenisch, was so viel wie klug, gescheit bedeutet, bot ihnen
Schutz vor den «Gatschis», den Sesshaften. Im
westfälischen Münster kennt man dieses Idiom unter der
Bezeichnung «Masematte», im hessischen Gießen als das
«Manische».
Etwa 150 «verdächtige» Orte hat der Sprachwissenschaftler
Klaus Siewert von der Universität Münster im
deutschsprachigen Raum ausgemacht, in denen das
Jenische, jeweils stark gefärbt vom regionalen Dialekt,
noch verstanden, aber immer weniger gesprochen wird.
«Weil viele Jenische in sesshafte Familien eingeheiratet
haben, vor allem aber weil ihre traditionellen
Erwerbszweige aussterben und somit das Reisen unnötig
wird, droht auch ihre Geheimsprache verloren zu gehen»,
so Siewert. Als Präsident der von ihm ins Leben gerufenen
Internationalen Gesellschaft für Sondersprachen (IGS) hat
er es sich mit seinem Forscherteam zur Aufgabe gemacht,
die Reste des Jenischen auf den «letzten Metern» zu
sichern. Gefragt sind Gewährsleute, die die bereits
vorliegenden Glossare um weitere Worte bereichern
können.
Reste des Jenischen finden sich von Westfalen über
Hessen, in den süddeutschen Orten Fichtenau und
Ichenhausen bis nach Loosdorf im österreichischen
Waldviertel bei Melk und selbst in der Schweiz. «Die
Wohnorte orientieren sich in der Regel an den alten
Handelsstraßen des 18. und 19. Jahrhunderts», so
Siewert. Die teils erheblichen Entfernungen zwischen den
Regionen des Jenischen erklärt auch die bisweilen
eklatanten sprachlichen Unterschiede, auf die die Forscher
bei ihrer Arbeit stießen. Das beträfe nicht nur den Einfluss
der jeweiligen Ortsmundart, sondern auch den Wortschatz,
erklärt Siewert. «Gleichwohl gibt es eine gemeinsame
Schnittmenge.» Und überall träfe man auf die Verdunklung,
die eine Sprache zur Geheimsprache macht.
Worte wie «Flossling» (Fisch) oder «Weißling" (Milch)
verweisen auf das Rotwelsch, die so genannte
Gaunersprache, die entlassene Söldner im 12. und 13.
Jahrhundert aus dem Mittelhochdeutschen entwickelten.
Zahlreiche Begriffe aus dem Romanes wie «lowi» (Geld),
«kellebangerer» (Schausteller) oder auch «Gatsch» für den
alltäglichen Widersacher, den Sesshaften, belegen den
Kontakt zu den Zigeunern, mit welchen die heutigen
Jenischen zumeist nichts zu tun haben wollen. Hebräismen
wie «Maloche» (Arbeit) oder «Kailov» (Hund) gelangten
wohl über das Jiddische in die Geheimsprache des
fahrenden Volkes. Oft findet man auch für einen einzigen
Begriff mehrere Worte verschiedener Herkunft.
Worte wurden ersetzt, wenn sie auch Außenstehende
verstanden und sie damit ihre Schutzfunktion verloren.
Denn nicht selten gelangte ein Ausdruck in den Wortschatz
der Allgemeinheit. In Gießen etwa kennt jedermann das
Wort «Ballefusser» für Friseur. Dort waren es nicht zuletzt
die Gymnasiasten, welche das «Manische» begierig
aufgriffen, um sich, als «Schutz» vor den Pädagogen, eine
eigene kleine Geheimsprache zu schaffen. Die Herkunft der
Jenischen liegt weitgehend im Dunkeln. Die Quellenlage ist
mangelhaft, die Minderheit, um die es geht, lässt sich nicht
unter ethnologischen Aspekten erforschen. Siewert beklagt,
dass die Sprachforschung das jenische Idiom bislang fast
völlig vernachlässigt habe. Was nicht nur an der Nazi-Zeit
liege, in der viele Jenische als «Asoziale» verfolgt wurden.
Das Stigma der Unterwelt, das diesen Menschen zum Teil
heute noch anhaftet, macht die Forschungsarbeit der IGS
nicht einfacher. Vielfach gilt es Schwellenangst zu
überwinden, auf beiden Seiten. «Im Nadelstreifenanzug
sollte man nicht gerade zu den Interviews gehen», scherzt
Siewert, der bei seiner Arbeit selber Wohnviertel besuchte,
vor denen man ihn in seiner Kindheit immer gewarnt habe.
Viel Idealismus, aber auch Sponsoren sind nötig, um eine
Arbeit aufrechtzuerhalten, die weiter als auf das Jenische
ausgreift. Auch zeitgenössische Phänomene, etwa die
Sprache im Drogenmilieu, sind Gegenstand
wissenschaftlicher Ermittlungen.
Ziel des IGS ist vor allem, Forschungen auf dem Gebiet der
Sonder- und Geheimsprachen weltweit zu koordinieren,
zum Beispiel auf dem internationalen Kongress, der im
September in Stuttgart stattfindet. Dort wird es dann nicht
nur um das Jenische, sondern auch um die Sprache der
anatolischen Wanderhändler oder der Metzger aus dem
Pariser Vorort La Vilette gehen. Dass Professor Siewert von
einem Kollegen, der sich mit der Geheimsprache der
Yakuza, der japanischen Mafia befasst, seit langem nichts
gehört hat, beweist: Sprache kann im wahrsten Sinne des
Wortes ein Abenteuer sein.
Internationale Gesellschaft
für Sondersprachenforschung,
Bispinghof 5/6, Münster.
Tel.: 02 51/832 47 59
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